Das Recklinghäuser REh

Das „REh“ – ein tierischer Charakter eingebettet in ein touristisches Konzept

Im Dezember 2022 war es soweit: Das erste von 16 „REh“-Sandsteinobjekten wird aus seiner Transportbox befreit und steht seitdem an der historischen Stadtmauer in Recklinghausen. Knapp zwei Jahre konzeptionelle und technische Vorarbeit war für dieses Projekt nötig. Herausgekommen ist ein einzigartiger Charakter, der perfekt in diese lebendige Stadt passt.

Das Konzept

Als das Recklinghäuser Designstudio „crosscreative“ mit dem Konzept einer eigenen Stadtfigur an das Stadtmarketing der Stadt Recklinghausen herantrat, stieß das Team auf offene Ohren. Schon lange gab es ähnliche Ideen, bis dahin wollte aber noch nichts passen. Recklinghausen hat eine faszinierende Historie und ein außergewöhnlich schönes Stadtbild, aber es gab einfach keinen Bären im Wappen und auch keine Stadtmusikanten. In einem längeren Prozess wurde das Konzept weiter verfeinert.  Die Wahl fiel letztlich auf das „REh“, ein Wortspiel aus den Anfangsbuchstaben der Stadt. Das REh ist zudem ein Tier, das uns an unsere Verantwortung der Natur gegenüber erinnert.

In der Umsetzung dieser Idee war schnell klar, dass es keine allzu naturalistische Form sein durfte, zu schnell würden Querverbindungen zu Bambi und Co. hergestellt. Das REh sollte stattdessen ein modernes, zeitgemäßes Design erhalten. Es sollte nicht nur an die Historie der Stadt erinnern, sondern gleichwohl auch ein Symbol für die Zukunftsgewandtheit der Recklinghäuser*innen sein. Der Designprozess mündete schließlich zu einer polygonhaften Außenhülle und einer selbstbewussten nach vorne gerichteten Pose der Figur.

Das REh kann man zum einen als „Selfie Spot“ nutzen, es wurde aber zudem ein touristisches Konzept entwickelt, das zu einer „REh-Tour“ durchs ganze Stadtgebiet einlädt. Mit Hilfe einer digitalen App haben Recklinghäuser*innen und insbesondere auch Tourist*innen die Chance, das ganze Stadtgebiet durch die REhe kennenzulernen. Bürger*innen oder Besucher*innen werden so animiert, sich auf die Reise zu machen und die REhe in der App zu „sammeln“ – ein innovatives Konzept, das moderne Technik nutzt, um diese einzigartige historische Stadt zu erleben.

REhe sammeln und die Stadt erkunden! - Die REh-App

Bald ist es soweit: Dann schließt sich der konzeptionelle Kreis und mit der Einführung der REh-App startet auch das Gewinnspiel. An jedem REh wird ein QR-Code angebracht, der mit der App gescannt werden kann. In der App ist es möglich, sich Standortinformationen anzusehen (zum Beispiel historische und touristische Informationen zum aktuellen Standort und Gastro-Tipps). Kern ist aber ein attraktives Gewinnspiel, das diejenigen belohnt, die an allen REh-Standorten waren. In der App lassen sich die REhe „sammeln“. Wer alle REhe eingesammelt hat, nimmt an einem großen Gewinnspiel teil – es winken attraktive Preise.

Planung, Umsetzung und Produktion der REhe

Der Designer Tom Nassal gibt Einblicke in die Produktion der REhe: „Wie bereits bei unserem Stadttorprojekt, sollte die Entwicklung zeitgemäß und modern erfolgen, die Produktion dann wieder auf archaische Art – also das Heute und das Gestern im Produktionsprozess vereint. Die Konstruktion des REhs erfolgte mit verschiedenen 3D-Programmen, mit denen auch Prototypen für Produkte entstehen. Dank dieser Technik konnten die Entwicklungsstände immer im 3D-Druck überprüft werden. So konnte das parallel ermittelte Herstellungsverfahren weiter produktionsoptimiert werden. Hier die Balance zu finden zwischen Objektdesign und Machbarkeit, war herausfordernd.“

Die Grundidee war, eine Figur aus einem Naturmaterial herzustellen. Die für die sogenannte „Tierparaden“ übliche Umsetzung in bunt lackiertem Glasfaser wurde von Beginn an aus Nachhaltigkeitsgründen ausgeschlossen. Viele verfügbare Materialien und Verfahren zeigten allerdings Schwächen, sodass schlussendlich auf Sandstein gesetzt wurde. Ein Fachmann in Österreich entwickelte gemeinsam mit einem Betonwerk eine gießbare Sandstein-Mischung. In enger Zusammenarbeit wurden dann Konstruktion und Verfahren so optimiert, dass auch größere Stückzahlen des REhs produziert werden konnten.

Das Sandgussverfahren ist vergleichbar mit dem mittelalterlichen Steingussverfahren, das beispielsweise für die Herstellung von Heiligenabbildungen an Kirchen genutzt wurde. Für den Sandguss und den Bronzeteil zeichnete die Österreichische Kunstproduktion „3D Kunst“ verantwortlich. In gleicher Legierung wie bereits die Stadttorplatten wurden auch die Vignetten gegossen.

Warum gerade ein REh?

Alle Recklinghäuser*innen haben das RE sowieso schon im Kennzeichen – aber was Auswärtigen oft nicht klar ist: Recklinghausen – das heißt auch sehr viel Natur. Recklinghausen – das heißt auch Wälder, Wiesen, Seen und Bäche, Naturschutzgebiete und viel frische Luft. Recklinghausen – das heißt auch ökologische Verantwortung und nachhaltiges Denken. Für all das steht das REh!

Zudem ist es ein wunderbares Symbol für die Naturverbundenheit innerhalb der Stadt. Es wirkt nicht kreischend laut, es hat nichts Aufdringliches und es wird in keine Rolle gedrängt. Und es ist einfach sympathisch. Unsere wertvolle Historie und unser Weg in eine nachhaltigere Zukunft – das ist die Story des „REhs“.

Das Geld für das Projekt kommt aus dem Sofortprogramm Innenstadt des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW). Damit werden auch Projekte gefördert, die geeignet sind, die Aufenthaltsqualität in Städten zu verbessern und im Idealfall in der Bürgerschaft identitätsstiftend zu wirken.

Sandstein ist ein natürlicher Baustoff, der schon seit Tausenden von Jahren verbaut wird. Er hat ein hohes Maß an Wiederverwendbarkeit. Das armierte Metall und die Bronze ist zu 100 Prozent wiederverwertbar. Nachhaltigkeit heißt auch, nachhaltig zu handeln, die Unterstützung von kleineren Unternehmen im Zusammenhang mit der REh-Produktion gehört hier auch in die Bilanz.